Freitag, 24. August 2018

[Serienreview] Insatiable Staffel 1 | Body-Shaming auf Netflix?





♥ OT: Insatiable - A Coming of Rage Story
♥ Episoden: 12 (bisher 1 Staffel)
♥ Produktionsjahr: 2018
♥ Produktion: CBS Television Studios u.a.
♥ Ausstrahlung: Netflix
♥ Genres: Drama, Comedy


© Bild: Netflix
Diese Rezension ist natürlich spoilerfrei.




Vor kurzem habe ich die neue Netflix-Serie Insatiable beendet, die bereits im Vorfeld einen gigantischen Aufruhr im Internet entfacht hat. Fat-Shaming. Body-Shaming. Schlankheitswahn. Sexismus. Diese Begriffe finden sich häufig in Verbindung mit der angeblich so kontroversen Dramedy-Serie. Es wurde sogar eine Petition ins Leben gerufen, damit der Streaminganbieter diese gar nicht erst ausstrahlt. Sind die Vorwürfe wirklich gerechtfertigt? Und taugt Insatiable überhaupt etwas?


Manchmal ist Rache nicht wirklich süß, aber mit Diadem sieht sie immerhin gut aus. Eine gehänselte Teenagerin will sich mithilfe eines in Ungnade gefallenen Mentors durch Schönheitswettbewerbe rächen. Doch er hat ihre Rachegelüste unterschützt.

Text: Netflix


Wie der Titel Insatiable (auf Deutsch: Unersättlich) bereits anklingen lässt, geht es in diesem neuen Netflix Original um die brisanten Themen Essstörung und Rachsucht, aber auch um wahre Schönheit, Anerkennung und Selbstakzeptanz. Im Mittelpunkt steht die 17-jährige Schülerin Patty Bladell (Debby Ryan), die wegen ihres Übergewichts verspottet und von ihren Mitschülern "Fatty Patty" genannt wird. Nach einer Schlägerei mit einem Obdachlosen verliert sie im Krankenhaus massiv an Gewicht und schwört auf Rache an all jenen, die sie gehänselt oder nicht an sie geglaubt haben. Unterstützung erhält sie dabei durch den Anwalt Bob Armstrong (Dallas Roberts), der seinerseits Probleme im Job und in der Ehe hat. Nebenbei coacht er Mädchen für Misswettbewerbe und möchte nun unbedingt die neuerdings hübsche Patty für seine Sache gewinnen. Patty allerdings schlittert von einem Problem ins nächste und so hat Bob alle Hände voll zu tun, sie vor dem Gefängnis zu bewahren...


Schlank = schön ?

Die Vorwürfe, dass Insatiable den Schlankheitswahn befürworte und sogar ein Rückschritt für unsere Gesellschaft sei, möchte ich bereits an dieser Stelle eindeutig zurückweisen. Im Gegenteil: Ich habe eher den Eindruck, dass sich diese Serie für Menschen mit Komplexen und dadurch ganz klar gegen Fat-Shaming ausspricht. Patty mag zwar schlank sein und sich an Misswahlen versuchen, doch schlummert unter dem Make Up noch immer die unsichere, gefrustete "Fatty Patty", die ihr Leben lang Zurückweisung erfahren musste: Das Mobbing ihrer Mitschüler, einen Korb in Sachen Liebe, die Ignoranz einer alleinerziehenden, alkoholsüchtigen Mutter sowie das Desinteresse eines Vaters, den sie nie kennengelernt hat. Noch immer fühlt sie sich dick und hässlich, wenn sie in den Spiegel schaut - daran ändern auch die verschwundenen Pfunde nichts.

Patty zeigt uns, dass Schön- und Schlanksein nicht mit innerer Schönheit gleichzusetzen ist, man es als hübscher Mensch jedoch - ungerechterweise - häufig viel einfacher hat. Dies wird mehrmals in der Serie aufgegriffen, denn unter den Misswahl-Kandidatinnen geht es mitunter sehr hässlich zu und in Patty lauert eine dunkle, rachsüchtige Seite, die ihr hübsches Äußeres nicht kaschieren kann... Ferner geht es um gegenseitige Unterstützung und Respekt sowie die Schwierigkeit, sich selbst zu lieben, zu akzeptieren und nicht in schädliche Verhaltensmuster zurückzufallen. Besonders bemerkenswert fand ich eine Szene am Ende einer Folge, in der Patty aus Frust rückfällig wird und weinend eine Torte in sich hineinstopft. Sie weiß in diesem Moment, dass sie es nicht tun sollte und doch kann sie nicht anders, als ihren Schmerz in ihrer alten Sucht zu ertränken. Die Credits laufen anschließend ohne musikalische Unterlegung durch, allein begleitet von Pattys schmatzenden und schluchzenden Geräuschen. Ich hatte Gänsehaut und habe echt mitgefühlt.


Zwischen Ernsthaftigkeit & Slapstick-Chaos

Mit Patty und ihren Problemen konnte ich mich ganz gut identifizieren. Sind wir nicht alle auf die ein oder andere Weise unzufrieden mit unserem Körper? Gerade deshalb habe ich diese Serie gern geschaut und würde nicht sagen, dass man dadurch allgemein Gefahr läuft eine Essstörung zu entwickeln. Natürlich tickt jeder Mensch anders und es kann sein, dass die Darstellung dieser Themen in anderen Zuschauern sehr negative Gefühle oder Erinnerungen hervorrufen kann. Deshalb kann man der Serie jedoch lange nicht vorwerfen, Fat-Shaming zu betreiben oder die "Magie des Schlankseins" auf ein Podest zu stellen. Man sollte sich einfach im Klaren darüber sein, welche Thematik in diesem Medium behandelt wird und selbst entscheiden, ob man damit zurechtkommt. Die Baustellen sehe ich persönlich an anderer Stelle.

Was Insatiable leider nicht gut hinbekommt, ist die Balance zwischen guter Comedy und ernsten Szenen. Die Handlung ist sprunghaft, verliert sich ein ums andere Mal in Nebensächlichkeiten oder wirkt überdramatisiert. Im einen Moment ist die Stimmung düster - sensible Themen wie Mobbing, das Coming Out oder Suizidgedanken werden auf sehr eindrückliche Weise behandelt - doch im nächsten Moment wird alles durch stumpfe Comedy zunichtegemacht. Ganz als konnten sich die Drehbuchautoren nicht für einen Schwerpunkt entscheiden. Die Story beginnt als Ansammlung seltsamer und zusammengewürfelter Ereignisse, die häufig fragwürdig, fast willkürlich anmuten. Die Message der Serie geht dabei leider etwas unter - manchmal ist weniger einfach mehr. Den schwarzen Humor, der hin und wieder anklingt, fand ich wiederum sehr begrüßenswert, aber diese Sparte der Unterhaltung ist einfach nicht jedermanns Sache. Zum Ende der ersten Staffel möchte ich an dieser Stelle erwähnen, dass ich es so definitiv nicht erwartet hätte und der Cliffhanger wirklich fies ist.


Die Charaktere wirken insgesamt sehr wankelmütig in ihrem Verhalten. Einige sind sehr komplex und interessant ausgearbeitet, wie zB Bob und seine Frau Coralee, andere wiederum gleichen bloßen Stereotypen: Der Schulschwarm, die beliebte Schönheitskönigin, die rachsüchtige Exfreundin, der geheimnisvolle Bad Boy und die intrigante Zicke finden alle ihren Platz in der Geschichte. Patty ist als weibliche Hauptfigur besonders unberechenbar, was wohl ihre instabile, impulsive Art unterstreichen soll. Fühlt sie sich von jemandem in die Ecke gedrängt oder verraten, handelt sie sehr überstürzt, was zu den verrücktesten Szenarien führt. Bob dagegen ist eher der vorsichtige, leicht zu verunsichernde Typ, der aber alles tut, um seinen Namen reinzuwaschen und seinen Schützling wieder auf den richtigen Kurs zu bringen - jedes mal aufs Neue. Dazu gesellen sich Pattys beste Freundin Nonnie, die sich ihre Liebe zu einem anderen Mädchen nicht eingestehen möchte, gleich mehrere Love Interests und Rivalen sowie einige nervige Nebencharaktere, auf die man meiner Meinung nach gut hätte verzichten können.

Die (romantischen) Beziehungen der Charaktere untereinander entwickeln sich sehr verzwickt, fast schon abstrus, denn auch in diesem Punkt trägt die Serie gerne ein bisschen zu dick auf. Dadurch ergibt sich allerdings die ein oder andere interessante Überraschung. Nach einigen Startschwierigkeiten entwickelte sich Insatiable zu einer soliden, unvorhersehbaren Dramaserie mit kleinen Schwächen, die immer mehr an Tiefe gewinnt. Mit der Zeit schließt man die Hauptcharaktere einfach ins Herz - mit all ihren liebenswerten, verschrobenen und auch schlechten Seiten. Sie sind nicht perfekt, haben teilweise eher große Charakterschwächen, mit denen sie sich selbst immer wieder Steine in den Weg legen. Dies macht für mich einen besonderen Charme der Serie aus.


Insatiable ist eine solide Dramaserie, die sich durch eine gute Portion Individualität und Wahnsinn auszeichnet. Bevor man in Patty und Bobs Geschichte eintaucht, sollte man sich bewusst machen, dass einige brisante Themen auf ironische Weise aufgearbeitet werden und natürlich triggern können. Den Hate, der bereits vor Ausstrahlung der Serie im Internet verbreitet wurde, finde ich jedoch absolut nicht angemessen - dafür kann man sie auch gar nicht ernst genug nehmen. Leider wirkt Insatiable oft überladen und auch der Comedy-Aspekt konnte mich weniger überzeugen. Die Message, dass äußere Schönheit nicht mit innerer Schönheit gleichzusetzen ist, kommt außerdem erst mit der Zeit richtig zum Tragen. Trotzdem habe ich die erste Staffel regelrecht durchgesuchtet, denn sie hat mich gut unterhalten und macht auf eine seltsame Art süchtig. Insgesamt eine nette Serie für zwischendurch, von der ich mir definitiv eine Fortsetzung wünschen würde!

Die erste Staffel umfasst zwölf Folgen. Über eine mögliche zweite Staffel ist bislang noch nichts bekannt.














1 Kommentar:

  1. Hallo liebe Lena,

    diese Serie wurde tatsächlich auf Facebook sehr stark diskutiert. Deine Meinung darüber finde ich ganz gut, da du objektiv rangehst. Trotzdem werde ich mir vorerst die Serie nicht anschauen.
    Liebe Grüße Cindy

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