Der alteingesessene Manga-Lesenachtler Baphomehmet hat sich bereiterklärt, eine Gastreview zu einem seiner im Rahmen der Lesenächte gelesenen Mangas beizusteuern. Er hat keinen eigenen Blog, aber man merkt, dass er sich sehr viel Mühe mit der Review zu diesem ganz besonderen Werk gegeben hat, also schaut doch einfach mal rein! ;)
Coverabbildungen: Schreiber & Leser |
♥ OT: Kamigami no Itadaki
♥ Mangaka: Jiro Taniguchi
♥ Original Story: Baku Yumemakura
♥ Verlag: Schreiber & Leser
♥ Preis: je 16,95€
♥ Verlag: Schreiber & Leser
♥ Preis: je 16,95€
♥ Seiten: je 300+
♥ Bände: 5 (abgeschlossen)
♥ Erscheinungsjahr: 2007-2008 (D)
♥ Genres: Biographie, Abenteuer, Drama
♥ Erscheinungsjahr: 2007-2008 (D)
♥ Genres: Biographie, Abenteuer, Drama
Das Himalaya-Gebirgsmassiv ist
wahrhaftig der Weg zu den Göttern. Sehr, sehr viele Faktoren müssen
zusammen- kommen, damit eine Besteigung überhaupt möglich, geschweige
denn erfolgreich ist. Die eigene Kondition muss stimmen, das Wetter
muss stimmen, die Unterstützung der Mitmenschen muss stimmen, die
politische Lage in Nepal muss stimmen. Und eine gehörige Portion
Glück muss man haben. Kommt alles zusammen, kann man wirklich vom
Segen der Götter sprechen und nur die allerwenigsten können den
Segen auch behalten. Denn der Himalaya ist der höchste und
damit der extremste Gebirgszug der Welt.
Nicht nur die Kälte macht einem zu schaffen, sondern auch die immer dünner werdende Atmosphäre. Die Gipfel der Himalaya-Berge liegen auf einer Höhe, auf der der menschliche Körper rein biologisch einfach nicht mehr funktioniert. Es wirkt nicht falsch, wenn man sagt, der Aufstieg komme einer Opfergabe gleich. Man opfert sich selbst den Göttern. Die Menschen, die so etwas wagen, kann man keine Sportler mehr nennen, sie sind regelrechte Fanatiker. Müssen sie auch sein.
Nicht nur die Kälte macht einem zu schaffen, sondern auch die immer dünner werdende Atmosphäre. Die Gipfel der Himalaya-Berge liegen auf einer Höhe, auf der der menschliche Körper rein biologisch einfach nicht mehr funktioniert. Es wirkt nicht falsch, wenn man sagt, der Aufstieg komme einer Opfergabe gleich. Man opfert sich selbst den Göttern. Die Menschen, die so etwas wagen, kann man keine Sportler mehr nennen, sie sind regelrechte Fanatiker. Müssen sie auch sein.
Im Himalaya gibt es viele hohe Berge,
aber die größte Faszination üben zwei ganz bestimmte aus: der am
schwierigsten zu besteigende, der K2, und der höchste, der Everest.
Und dieser spielt in Jiro Taniguchis Gipfel der Götter eine
zentrale Rolle.
Auf diesem Berg haben viele Menschen
ihr Leben gelassen, so auch zwei Japaner, die an einer Expedition
teilgenommen haben, bei der der Protagonist Makoto Fukamachi als
Fotograf anwesend war. Verbittert darüber bleibt er in Katmandu
zurück und macht dort eine Entdeckung: er stößt auf die Kamera von
George Mallory, dem Erstbesteiger des Everest. Mallory ist 1924
zusammen mit seinem Partner Andrew Irvine auf dem Everest verschollen
und während schnell klar geworden ist, dass sie bei einer
Naturkatastrophe ums Leben kamen, ist es nach wie vor nicht sicher
geklärt, ob sie den Gipfel erreicht haben. Fukamachi vermutet in der
Kamera den entscheidenden Beweis und forscht weiter. Dabei stößt er
auf den in Japan schon beinahe vergessenen (fiktiven) Bergsteiger
Yoshi Habu, der die Kamera gefunden haben will. Habu ist in
Fukamachis Augen mindestens so faszinierend und rätselhaft wie
Mallorys Kamera, und so versucht Fukamachi, Habu näher zu kommen und
setzt damit Ereignisse in Gang, die ihm, Habu und anderen vieles
abverlangen.
Soweit zum Inhalt, der auf den
Inhaltsbeschreibungen natürlich immer interessant und spannend
klingt. Ist er das aber auch? Definitiv.
Taniguchi arbeitet nämlich öfter mal
nicht allein an seinen Werken, sondern zusammen mit Szenaristen, also
Menschen, die mit ihm Ideen auswerten und letztendlich die Story
zusammenbauen. Samt professioneller Schriftsteller. Und nicht immer
sind es seine Storys – Gipfel der Götter und Wie Hungrige
Wölfe sind Romane, die von Taniguchi lediglich zu einem Manga
adaptiert wurden. Natürlich in Zusammenarbeit mit dem Autor – und
diese merkt man Gipfel der Götter an. Schnitte wurden gekonnt
gesetzt, Charaktere bekommen den nötigen Raum zur Entfaltung und die
Story existiert auch nicht im Vakuum, sprich, auch der Schauplatz
wird sowohl grafisch als auch textlich ausgefüllt. Soll heißen, man
stellt nie in Frage, dass das der Himalaya ist, man stellt nie in
Frage, wieso die Menschen dort so handeln wie sie handeln und wieso
sie so leben wie sie leben.
Die Geschichte selbst schlägt dabei
unterschiedliche Richtungen ein. Mal ist sie eine Biografie, mal ein
Abenteuer, mal eine Art Krimi. Aber im Großen und Ganzen bleibt sie
konsequent beim Bergsteigen, und dem schriftstellerischen Aufwand des
Autors ist es zu verdanken, dass die Geschichte nicht bloß „Juchhe,
klettern!“ ist. Bergsteigen ist eine sehr, sehr aufwändige
Angelegenheit, bei der viele Dinge zusammenkommen und stimmen müssen.
Wie eingangs erwähnt fängt das beim Wetter und bei der Ausrüstung
an – und hört bei der Kondition und der psychischen Stärke des
Bergsteigers nicht auf. Die Leistung des Einzelnen verdankt man
außerdem der gemeinsamen Leistung vieler. Gipfel der Götter
macht uns das alles eindrucksvoll klar.
So viele Loblieder die Story bzw. deren
Präsentation auch verdient hat – ihre Schwächen merkt man ihr
auch an. Die meisten mögen von den zahlreichen Beschränkungen des
Mediums Manga rühren (so ist es z. B. schon etwas fragwürdig, warum
die Geschichte der Gurkha und die prekäre politische Lage in der
Region überhaupt angeschnitten werden, wenn das erste einfach nur
eine kleine Geschichtslektion bleibt und das zweite reduziert wird
auf „Flüchtlinge greifen zu unlauteren Mitteln“ – aber wenn
man bedenkt, dass der Manga kapitelweise mit einer festgelegten
Seitenzahl veröffentlicht wurde, dann kann man das nachvollziehen,
zumal beides dafür sorgt, dass das Bild des Landes Nepal noch ein
wenig klarer und detaillierter wird), aber für den eigentlichen
Schwachpunkt mache ich persönlich den Autor verantwortlich. Und das
ist der Hauptcharakter.
Lange Zeit ist er der zugänglichste
Charakter der Serie: ein Durchschnittsmensch, wenn auch
überdurchschnittlich fit, dem nicht alles auf Anhieb gelingt, dessen
Emotionen glaubwürdig und nachvollziehbar sind und der einfach
überfordert ist, wenn ihm alles über den Kopf wächst. Er gesteht
sich seine Schwächen ein, weiß, wann es Zeit wird, aufzugeben und
KANN das auch. Und ganz wichtig: er weiß, dass er manche Dinge
EINFACH NICHT SCHAFFT.
Und auf einmal schafft er sie doch!
Genau die Dinge, die jenseits seiner Kräfte und Möglichkeiten
lagen. Dinge, die anderen Menschen zehn Jahre lang die allergrößten
Opfer abverlangt haben, erfordern bei ihm auf einmal nur zehn Monate
Jogging und ein paar Klettertouren. Das sieht stark nach unverdienter
Belohnung aus und hinterlässt einen trüben Nachgeschmack, den
selbst Taniguchis atemberaubendste Zeichnungen nicht vertreiben
können.
Die sind übrigens wirklich sehr
eindrucksvoll. Taniguchi ist sowieso jemand, der sich viel Zeit
lässt, die Umgebung und die Hintergründe darzustellen und der
Personen dafür bewusst eher vernachlässigt. Hier sind verschneite
Gebirgsmassive der Schauplatz, das heißt, hier kann er sich nach
Lust und Laune austoben - was er auch tut.
Auch wenn man den
meisten Großbildern anmerkt, dass da Fotos abgezeichnet wurden, die
Leistung, die da drinsteckt, ist enorm. Die vielen, vielen, oft
feinen Details sind alle mit Feder und Tusche handgezeichnet,
Rasterfolien verwendet Taniguchi selten und eher sparsam. Die
Panelgestaltung ist nach wie vor „westlich“, mit klar
gezeichneten Panelgrenzen und stets rechtecktig, nur bei
seitenfüllenden Großbildern verschwinden die Panelgrenzen. Auch die
Gesichter sind europäisch, was auf mich persönlich am Anfang eines
jeden Taniguchis stets befremdlich wirkt – aber man gewöhnt sich
dran, zumal Taniguchi in seinen für Japan ausgelegten Werken die
Japaner auch mit asiatischen Gesichtszügen darstellt. Wenn es etwas
bei den Zeichnungen zu bemängeln gibt, dann, dass sie oft zu
statisch sind. Zu schnappschussartig. Wodurch man oft genug nur durch
den Text mitbekommt, was passiert.
~ Fazit ~
Alles in allem ist Gipfel der
Götter dann aber doch ein gelungenes, solides – und auch gutes
Werk. Natürlich nicht perfekt und auch vom Zeichner selbst gibt es
bessere, aber faszinieren und nicht loslassen, das kann es. Nur muss
– als Parallele zum Bergsteigen – leider auch die Leserschaft
stimmen. Dieser Manga, wie auch die allermeisten anderen Taniguchis,
ist nichts, was junge Menschen bevorzugt lesen würden. Zu nah an der
Realität sind sie, zu gemächlich, kontemplativ statt actionreich,
ernst statt absurd. Und für die deutschen Leser wohl auch nicht
japanisch genug. Hier gibt es kein "kawaii" und keine großen
Kulleraugen, hier gibt es Nasen, markante Gesichtszüge und breiten
Körperbau. Und viel Natur.
Wer sich trotzdem darauf einlässt, der
wird belohnt. Und das verdient.
~ Bewertung: 3,5/5 ~
~ Weitere Werke von Jiro Taniguchi ~
Bilder: Carlsen Graphic Novel
Vielen Dank an Baphomehmet für seine tolle Rezension!
Huhu Baphomehmet,
AntwortenLöschenich freue mich, dass du hier eine Gastrezension verfasst hast. Vielleicht wird sich der Gedanke mit einem eigenen Blog ja doch noch im Laufe der Zeit festigen ;o)
Leider ist die Thematik nicht so ganz meins. Weder kann ich mich fürs Bergsteigen noch für Erfahrungsberichte begeistern. Dennoch hast du mich neugierig gemacht. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass man beim Bergsteigen an seine Grenzen gelangt und dass hier genug Spielraum für einen spannenden Handlungsstrang gegeben ist.
Sehr schöne Rezension.
Liebe Grüße Tanja :o)